Wiederaufbau kriegszerstörter Städte in Österreich. Transformation und Erbe
Bedeutung der historischen Bausubstanz im Wiederaufbauprozess
Ein Ziel des Teilprojektes ist die Aufarbeitung des Wiederaufbaugeschehens nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Perspektive von Stadtplanung und Denkmalpflege. Erforscht werden die Entscheidungsprozesse zwischen Erhalt und Veränderung von Gebäuden und städtischen Strukturen. Von besonderem Interesse ist dabei der Stellenwert, den man der historischen Bausubstanz im Rahmen dieser Aufbauplanungen beimaß, sowie die Rolle der Akteure (Stadtverwaltung, Planer, Denkmalpflege, Besatzungsmächte). Als Untersuchungsbeispiele wurden neun Städte ausgewählt, unter Berücksichtigung des Zerstörungsgrades, ihrer Größe und ihrer Lage (Besatzungszonen nach 1945): Wien und Wiener Neustadt, Linz, Salzburg, Steyr, Innsbruck, Villach, Klagenfurt und Graz.
Die Denkmalpflege als Akteurin
Vom Bundesdenkmalamt erstellte Schadenskarten und Baualterpläne, die auch Ruinen ausweisen, lassen auf einen gewissen Einfluss der amtlichen Denkmalpflege auf das Aufbaugeschehen schließen. Ziel ist es, die Rolle der Institution und Disziplin Denkmalpflege als Akteurin in Wiederaufbauprozessen zu erforschen.
In Wien wurde im Juli 1945 eine Expertenkommission einberufen, die sich mit Fragen der Stadtregulierung, des Verkehrs, aber auch der Erhaltung des Stadtbildes befassen sollte. Als Teil dieser Kommission nannte das Denkmalamt bedeutsame Straßenzüge und Ensembles, die als „Altstadt-Inseln“ zu erhalten wären. Untersucht werden soll die Rolle der Expertinnen der Denkmalpflege in der Steuerung des Aufbauprozesses: Was sollte erhalten oder instandgesetzt werden und warum? Auf welchen Grundlagen und nach welchen Kriterien erfolgten denkmalfachliche Bewertungen und Wiederaufbauentscheidungen?
Aneignung und Inanspruchnahme von gebautem Kulturerbe nach 1945
Eine den genannten Themen übergeordnete Fragestellung ist jene nach der Bedeutung des gebauten Erbes nach 1945 für die Gesellschaft. Untersucht werden sollen die Diskurse und Aushandlungsprozesse, die im Rahmen der erneuten Aneignung von Kulturerbe nach dem Zweiten Weltkrieg stattfanden. Welche Einzelbauten und städtischen Strukturen wurden als gebautes Erbe wahrgenommen und bewertet und sollten daher tradiert werden? Lässt sich dies anhand von Stadtkarten und anderem Dokumentationsmaterial zur Stadt nachvollziehen?